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Taxi-App – und die Taxipreise

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Bei den §§ 39 Abs. 3 S. 1, 51 Abs. 5 PBefG handelt es sich um eine Marktverhaltensregel, das heißt um eine Vorschrift, die zumindest auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. §§ 39 Abs. 3 S. 1, 51 Abs. 5 PBefG regeln das Marktverhalten der Taxiunternehmer, indem sie das festgestellte Beförderungsentgelt festschreiben. Sie sind dazu bestimmt, auch im Interesse der Marktteilnehmer, nämlich der Verbraucher und Mitbewerber, ein funktionsfähiges Taxigewerbe zu erhalten. Die Beförderungsentgelte für Taxen sind demnach Festpreise, die weder unter- noch überschritten werden dürfen.

Eine Unternehmerin, die Taxifahrten durch eine Taxi-App vermittelt, ist nicht selbst Unternehmer i.S.v. § 3 Abs. 2 S. 1 PBefG, denn ihr fehlt eigene Verfügungsgewalt über Fahrzeuge, Einrichtung und Betriebspersonal. Auch wenn die Unternehmerin somit nicht unmittelbar den Vorgaben des Personenbeförderungsgesetzes unterliegt, steht dies einer mittelbaren Bindungswirkung nicht entgegen.

Vorliegend beschränkt sich die Unternehmerin nicht auf die Vermittlung von Taxifahrten und die Gewährung eines Rabatts in Höhe von 50 % für die Taxikunden. Vielmehr hat sie mit dem Taxiunternehmer eine Abtretung seiner Forderungen gegen die Kunden vereinbart, wobei die Unternehmerin auch das Ausfallrisiko trägt. Darüber hinaus regelt sie die Zahlungsmodalitäten als Voraussetzung für den Erhalt des Rabatts, nämlich unbare Zahlung über ihre App. Insgesamt trägt sie damit einen Teil des unternehmerischen Risikos und verdient in mehrfacher Hinsicht im Zusammenhang mit der Durchführung einer Taxifahrt. Nach herrschender Meinung ist Taxiunternehmer nicht nur, wer faktisch die Beförderung durchführt; der Taxiunternehmer kann sich hierfür vielmehr einer anderen Person bedienen, die dann als Erfüllungsgehilfe des Taxiunternehmers anzusehen ist.

orliegend ist sie, ohne selbst Unternehmerin i.S.v. § 3 PBefG zu sein, durch Vermittlung der Taxifahrten, Regelung der Zahlungsmodalitäten sowie durch die Abtretung der Forderung auf das Beförderungsentgelt gegen den Kunden an sich selbst derart in die Nähe eines Unternehmers gerückt, dass sie sich einigen Pflichten des Personenbeförderungsgesetzes nicht entziehen kann. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch § 6 PBefG, der ein ausdrückliches Umgehungsverbot normiert. Sinn und Zweck der Festpreisregelung in §§ 39 Abs. 3 S. 1, 51 Abs. 5 PBefG ist die Verhinderung ruinösen Wettbewerbs. Dem Taxiverkehr kommt als Ergänzung zum öffentlichen Personennahverkehr eine öffentliche Aufgabe zu. Durch eine angemessene Preisgestaltung und die Festlegung von Festpreisen im Pflichtfahrgebiet soll den Taxiunternehmen ein auskömmliches Dasein ermöglicht werden, ebenso die Tätigung und Abzahlung erforderlicher Investitionen, während ein ruinöser und unbilliger Preiswettbewerb verhindert werden soll.

Durch Abtretung der Beförderungsentgeltforderung gegen den Kunden bei gleichzeitiger Vermittlung der Taxifahrt und Festlegung der (unbaren) Zahlungsmodalitäten ist die App-Betreiberin so wesentlich in die Abwicklung der Taxifahrt und insbesondere des Bezahlvorganges eingebunden, dass die Geltung der Beförderungsentgelte als Festpreise auch auf sie Anwendung finden muss. Für eine angemessene Würdigung der Beteiligung und der Funktion der App-Betreiberin sind sämtliche Vorgänge zu berücksichtigen, in die sie involviert ist und die sie bestimmt. Eine Gesamtschau ergibt, dass gerade die Koppelung von Vermittlung, Abtretung der Forderung und Zahlungsabwicklung dazu führt, dass die Festpreisbestimmung des Personenbeförderungsgesetzes im Pflichtfahrgebiet auch auf die App-Betreiberin Anwendung findet. Eine Betrachtung jeder Geschäftsmaßnahme der App-Betreiberin einzeln würde deren Gesamtbeitrag nicht ausreichend bewerten, bliebe an Förmlichkeiten verhaftet, liefe den angestrebten Zwecken des Personenbeförderungsgesetzes zuwider und würde das Umgehungsverbot des § 6 PBefG nicht angemessen berücksichtigen.

Dabei kann sich die App-Betreiberin auch nicht darauf berufen, § 6 PBefG finde auf sie keine Anwendung, da sie bereits nicht Unternehmer im Sinne der Vorschrift sei. Vielmehr ist auch hier gemäß allgemeinen Auslegungsregeln der Sinn und Zweck der Vorschrift zu erforschen und nicht am bloßen Wortlaut zu haften. Da die Anforderungen gesetzlich und durch Rechtsverordnung normiert sind, liegt in der Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen nach Auffassung des Landgerichts kein Verfassungsverstoß. Das Landgericht schafft keinen neuen Eingriffstatbestand, sondern wendet lediglich die im PBefG festgelegte Preisbindung auf die Tätigkeit der App-Betreiberin an.

Die App-Betreiberin als Vermittlerin von Taxifahrten und gleichzeitige Inhaberin der Forderung auf das Beförderungsentgelt gegen den Kunden ist daher insoweit an die durch Rechtsverordnung festgelegten Festpreise des Personenbeförderungsgesetzes gebunden.

Die Reduzierung des Beförderungsentgelts auf 50 % stellt daher einen Verstoß gegen eine Marktverhaltensregel dar und ist gemäß §§ 3, 4 Nr. 11 UWG zu unterlassen, da wettbewerbswidrig.

Die App-Betreiberin kann sich nach Auffassung des Landgerichts Stuttgart uch nicht darauf berufen, ihre Werbeaktion sei nicht wettbewerbswidrig, da die Taxifahrer den vollen Fahrpreis erhielten, denn Inhaberin des Anspruches auf den vollen Fahrpreis ist die App-Betreiberin. Der Fahrer/Taxiunternehmer erhält vielmehr einen um eine Vermittlungsprovision in Höhe von 3 bis 15 % gekürzten Betrag, wobei er „freiwillig“ die Höhe der Provision festlegt. Da (unter gleichen Bedingungen) zunächst der Taxiunternehmer mit der höchsten Provision vermittelt wird, somit also typischerweise der Unternehmer, der die Fahrt am nötigsten hat und daher zur Zahlung der höchsten Provision bereit ist, greift die App-Betreiberin auch insoweit in die geschäftliche Tätigkeit der Unternehmer ein mit der Folge, dass sie sich einer Pflicht wie der Preisbindung nicht entziehen kann.

Dem steht nicht entgegen, dass ein Gewerbetreibender berechtigt ist, preisgebundene Fahrscheine für den öffentlichen Nahverkehr, die er zum festgesetzten Preis erworben hat, unter Preis zu verkaufen. Im genannten Beispiel ist der Gewerbetreibende nicht Normadressat der Preisbindung, anders als die App-Betreiberin hier.

Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass der genannte Gewerbetreibende sein Geld durch sein Gewerbe verdient, ohne vom Verkauf von Tickets für den öffentlichen Nahverkehr direkt oder indirekt zu profitieren, während die App-Betreiberin, wie oben dargelegt, in mehrfacher Hinsicht im „Taxigeschäft“ bis hin zur Einziehung und Inhaberschaft der Entgeltforderung tätig ist. Wer derartig involviert ist, kann sich nicht darauf zurückziehen, die gesetzlichen Anforderungen an die Entgelthöhe beträfen ihn nicht.

Landgericht Stuttgart, Urteil vom 16. Juni 2015 – 44 O 23/15 KfH


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